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Das Ende des Browsers? So ein Quark

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Eine violette Fläche, darauf ein altrosa quader und zwei angedeutete Kugeln in Orange und gelb, in der Mitte das Rendering eines Browserfensters mit der Aufschrift Firefox und dem Firefox-Zeichen, darunter verschiedenfarbige kleine und größere Flächen, wie die Startseite des Browsers aber ohne Beschriftung.

Heute bin ich im Ticker (Link zur Anmeldung) von D64 über den Titel ‚Warum in fünf Jahren niemand mehr Browser nutzen wird‘ aus diesem t3n-Artikel gestolpert. Meine erste Reaktion vor dem Lesen des Artikels war „geht’s noch?“. Der Browser ist für mich das Zentrum meines Internetlebens. Ich versuche so weit als möglich auf Apps zu verzichten, deren Datenverhalten ich nicht kenne und die mir oft genug mit obskuren Aktionen auf die Nerven gehen. Also nutze ich den Browser, wo immer es geht. Zum Musikhören, zum Arbeiten in der Cloud, zur Recherche sowieso, Messaging, für die Steuerung der Haustechnik – you name it…

Immer häufiger drängen die Unternehmen jedoch mehr oder weniger insubtil dazu, die Apps zu verwenden. Mal dadurch, dass man trotz aktivierter 2-Faktor-Authentifizierung plötzlich statt des Passworts den QR-Code in der App scannen soll, mal durch möglichst sinnfreie und komplexe Abfragen, ob man denn wirklich ein Mensch sei – und zwar nach der Eingabe eines Passwortes, mal durch Bestätigung durch SMS-Codes, die es so in der App nicht gibt. Ich lasse mich bislang davon nicht abschrecken und will das auch in Zukunft nicht tun.

Und nun also soll der Browsertod kurz bevorstehen? Hintergrund des Artikels ist das (angebliche) Angebot des KI-Herstellers Perplexity, die Rechte am Browser Chrome von Google für 34,5 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Hintergrund dazu ist wiederum ein Kartellrechtsverfahren gegen Google in den USA, dessen Folge die Zersplitterung von Google sein könnte. Der Autor, Luca Caracciolo (mithin Chief Content Officer und Chefredakteur von t3n) argumentiert gegen den Browser, dass ja die Schnittstellen zwischen uns Menschen und „dem Wissen der Welt“ uns zukünftig nicht mehr im Browser suchen lässt: „Doch bald werden intelligente Assistenten dazwischentreten, die das Wissen der Welt im Hintergrund anzapfen und uns die Antworten direkt geben. Es wird keine Tabs, keine Suchergebnisseiten und keine Browser mehr geben.“ Genau, Bub! Weiter heißt es „KI wird überall kontextbewusst und im Hintergrund aktiv sein.“ Seine Schlussfolgerung dazu: „Das Internet in seiner heutigen Form – ein gigantisches Netz aus klickbaren Dokumenten – wird zu einer unsichtbaren Ressource, die nur noch von Maschinen im Hintergrund durchforstet wird: das Zeitalter von Ambient AI.“

Das wirft eine Vielzahl von Fragen auf, für mich geht es erst mal um zwei:

  1. Wozu?
  2. Tut das?

Die erste Frage würde ich für mich so beantworten – ich benötige Informationen häufig schriftlich aufgearbeitet, das hängt damit zusammen, wie ich Dinge aufnehme, verstehe und dann wiedergeben kann. Gesprochenes Wort kann ich mir häufig nicht merken und ich muss es so ablegen, dass ich es wiederfinde. Nun kann man argumentieren, dass das ja unnötig wird, weil die ‚KI‘ (bei mir immer in Anführungszeichen) mir ja jede gewünschte Information permanent beschaffen kann – nur stimmt das? Die Antwort lautet wenig überraschend nein, das stimmt nicht. Und das liegt an der Funktionsweise. Alle bisher bekannten Maschinen arbeiten nach bestimmten Regeln, LLMs und Co arbeiten mit dem Prinzip der Wahrscheinlichkeitsrechnung und einer absichtlich eingebauten Unschärfe. Deshalb erscheinen bei einer Anfrage an ‚KI‘ mittels Prompts immer wieder neue und sich teilweise stark unterscheidende Ergebnisse – selbst wenn die Eingabe immer exakt dieselbe ist. Damit ist eine Auskunft eben nicht verlässlich und ich muss für mich klären, ob es das passende Ergebnis ist. Mit dem LLM-Blabla kann ich gut arbeiten, wenn es um unwichtige Dinge wie Einladungstexte, Projektbeschreibungen (die meist in ein paar Stichpunkte eh besser funktionieren, aber hey, Geldgeber wollen Blabla) etc. geht, nicht aber, wenn es um faktische Informationen geht.

Damit ist auch ein Teil der Frage ‚tut das?‘ beantwortet, aber da geht es noch weiter. Kollege Caracciolo ist offenbar der Meinung, dass alles, was wir benötigen bereits existiert, dass es keine Entwicklung gibt, kein neues Denken und keine neuen Vorschläge, mit Dingen umzugehen. Denn genau das kann keine ‚KI‘, die in ihren Ausgaben ausschließlich auf Dingen basiert, die bereits bekannt sind. Ja, da können manchmal neue Verquickungen entstehen, aber eben nichts grundlegend neues, keine Forschungsergebnisse, keine Regelungen des Zusammenlebens, keine neuen Produktideen. Dafür braucht es Austausch, dafür braucht es die Diskussion über Ideen, die Veröffentlichung von Texten – so banal wie diesem, ausführlicher als Essay oder wissenschaftlich als Untersuchung. Das wird es aber ohne Veröffentlichungen und Leute – also Menschen aus Fleisch und Blut – die das dann auch lesen, bewerten und diskutieren nicht geben. Und dazu braucht es auch in Zukunft den Browser. Und wenn man sich die aktuelle Entwicklung der ‚KI‘ anschaut, dann scheint es ja nun auch nicht so, als komme man mit der Technologie wirklich weiter.

An einer Stelle hat der Autor aber vermutlich recht: Das Geschäftsmodell der Anzeigen in Suchmaschinen, Artikeln etc. funktioniert heute schon nicht und wird in der Zukunft noch weniger funktionieren, wie sich das entwickelt wage ich nicht zu beurteilen.

Aber es gibt Auswege, das Hosting von Ideen auf Mirkowebseiten wie dieser, die Abkehr von Plattformen und die Rückkehr des selber machens. Ich sehe da mit dem Fediverse und mit einer (gefühlt?) wieder größer werdenden Zahl von Blogs schon eine Veränderung und das macht mir auch ein wenig Hoffnung.

Die E-Mail stirbt schon seit gefühlt 25 Jahren (hier mal in 2018), wird immer vom neuesten heißen Shice verdrängt und erfreut sich nach wie vor bester Gesundheit und zudem auch wohl wieder teilweise wachsender Beliebtheit ($) und ich bin sicher, dass es mit dem Browser genauso sein wird.

Und natürlich lohnt sich der D64-Ticker jeden Tag…

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