Ergänzung 8.3. und 15.3.: Update zum EHDS
Die Bundesregierung hat derzeit eine Reihe von Gesetzen im Bereich der Gesundheitsversorgung in der Pipeline bzw. bereits verabschiedet.
Die beiden Gesetze, Digital-Gesetz (DigiG) sowie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) wurden Ende 2023 vom Bundestag verabschiedet und der Bundesrat hat am 2.2.2024 entschieden, bei den beiden Gesetzen nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen. Stand heute sind die Gesetze noch nicht im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, damit ist in den nächsten Tagen aber zu rechnen, somit können diese dann in Kraft treten.
Die Kernpunkte:
DigiG
Im sogenannten Digitalgesetz oder DigiG, ausgeschrieben das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens werden im Gesundheitsbereich hauptsächlich die Bereiche elektronische Patientenakte ePA und die Einführung des E-Rezepts geregelt.
Das E-Rezept wurde bereits zum 1. Januar 2024 flächendeckend eingeführt und scheint häufig auch schon zu funktionieren. Bei der ePA gilt:
- Automatische Einrichtung für ALLE ab 1.1.2025 (bisher freiwillig)
- Wer nicht möchte muss aktiv widersprechen (Opt-Out)
- Ziel: 80% der Versicherten sollen Ende 2025 versorgt sein.
- in der ePA enthalten:
- Automatisierte Medikationsübersicht
- eng verknüpft mit dem E-Rezept
Die Problematik bei der ePA ist aus Sicht der Patient*innenorganisationen das automatische Anlegen der ePA, das nur durch aktives Widersprechen zu verhindern ist (Opt-Out). Die Organisationen hatten auf ein Opt-In, also das positive Entscheiden für die ePA gedrungen. Das Opt-Out wird dabei vierstufig sein:
- ePA generell
- wer darf Befüllen
- wer erhält Zugriff
- erlaubt Forschung, die EU-Forschung ist hier noch nicht enthalten (siehe unten). Genauere Regeln fehlen noch.
Zusätzlich sind einige weitere Bereiche geregelt:
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollen in die Versorgungsprozesse integriert werden (in die ePA und auch Zugriff auf die ePA erhalten). Zulassung für DiGAs soll es in Zukunft auch für weitere Bereiche der Medizinprodukte bzw. Telemonitoring geben.
Aufgehoben werden die Mengenbegrenzungen in der Telemedizin.
Bei der gematik wird ein ‚Digitalbeirat‘ eingeführt, über dessen Besetzung noch diskutiert wird. Dieser soll künftig die gematik bei all ihren Festlegungen mit abgewogenen Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Die Patient*innenorganisationen drängen darauf, in den Digitalbeirat mit Stimmrecht aufgenommen zu werden.
GDNG
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz GDNG, ausgeschrieben das Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten beinhaltet die Einführung einer ‚zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für die Nutzung von Gesundheitsdaten‘. Diese soll den Zugang zu Forschungsdaten erleichtern und Daten aus verschiedenen Quellen wie ePA, Registern und weiteren verknüpfen. Diese soll vermutlich auch später die Stelle für den europäischen Austausch im EHDS werden. Der Einfluss der Datenschutzbeauftragten wird dahingehend verringert, dass die Datenaufsicht bei einer/einem Landesdatenschutzbeauftragten koordiniert wird und nicht wie bisher beim Bundesdatenschutzbeauftragten.
Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM soll weiterentwickelt werden und mehr Möglichkeiten enthalten.
Ausschlaggebend für die Datennutzung zur Forschung sollen ‚die im Gemeinwohl liegenden Nutzungszwecke‘ werden, was schwierig zu definieren sein wird. Für die Nutzung der Daten gilt hier auch das Opt-Out aus der ePA. Das gilt nicht für andere Datenquellen wie Register.
Auch die Kranken- und Pflegekassen sollen diese Daten verarbeiten und nutzen dürfen. Bislang haben die Krankenkassen keinen Einblick in diese Daten. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Nutzung nachweislich dem individuellen Schutz der Gesundheit der Versicherten dienen. Das ist eng verknüpft mit der Frage was ‚individueller Schutz‘ ist und die der Nachweis vor der Datennutzung erbracht werden kann.
Für beide Gesetze gilt:
Die datenschutzrechtliche Situation scheint problematisch. Die Politik hab bislang jede Kritik in Bezug darauf von sich gewiesen. Kassen, Industrie und Forschung sind hingegen positiv eingestellt. Leistungserbringer befürchten Mehrbelastungen.
Weiteres
Auf der Europäischen Ebene gibt es noch viele Fragezeichen zur Nutzung von Gesundheitsdaten. Der Europäische Raum für Gesundheitsdaten (EHDS – European Health Data Space) soll kommen mit einer Vereinheitlichung der Gesundheitsdaten in einem gemeinsamen europäischen Gesundheitsdatenraum. Die EU hat die Einführung des EHDS beschlossen, allerdings gibt es derzeit viele Diskussionen über die Ausgestaltung, speziell die Nutzung der Daten. Auch hier geht es um die Frage des Opt-Out gegen Opt-In.
Der wohl am wenigsten umstrittene Inhalt dürfte die vorgesehene vereinheitlichte Form des Notfalldatensatzes werden, auf den im Ernstfall dann Rettungskräfte und Notfallversorgung EU-weit zugreifen kann.
Am Donnerstag, den 7. März findet die (eigentlich abschließende) Rund des Trilogs zum EHDS statt. Bis zum Inkrafttreten 2025 gibt es einen engen Zeitplan, insbesondere durch die Europawahl im Juni. Ein Scheitern sehen Experten aus der EU für nicht unwahrscheinlich an.
UPDATE 8.3.: Es gab wohl keine Einigung, wie mir Ralf Bendrath, Berater der Grünen Fraktion/EFA im Europäischen Parlament bestätigte.
UPDATE 15.3.: Jetzt gibt es eine Einigung, mit der wir als Patient:innenvertreter nicht zufrieden sein können, da es weitreichende Rechte zur Datennutzung durch dritte gibt, die noch dazu schwammig formuliert sind. Mehr dazu in den nächsten Tagen.
Zur gesamten Digitalisierung im Gesundheitswesen gibt es einen offenen Brief diverser Organisationen, den ich für die LAG mit unterzeichnet habe. Er ist hier zu finden.
Weitere Quellen:
https://inoeg.codeberg.page/openletter1223.html
Bildquellen
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